Karl-May-Geburtshaus
Gebäudehistorie und Museumsentwicklung
Erlauben Sie uns, Sie in die Tiefen der Geschichte einzuführen, in der die Wurzeln des Karl-May-Hauses ruhen. An den Hügeln von Hohenstein-Ernstthal erhebt sich ein Häuschen, das seit Generationen ein Ort der Verehrung für den legendären Schriftsteller Karl May ist. Das ehrwürdige Haus birgt die Geschichten eines Mannes, der seine Träume in Worte kleidete und Millionen von Lesern auf der ganzen Welt in seinen Bann zog. An seinem Geburtsort lässt sich heute sein Leben nachempfinden und allerlei über seine Schriftstellerei erfahren. Der Gebäudekomplex aus Begegnungsstätte und dem Karl-May-Haus mit Museum und dem 2022 neu eröffneten Depot, welches Optionen für zusätzliche Ausstellungsfläche ermöglichte, ist von einer bewegten Geschichte geprägt.
Die wechselvolle Geschichte verzeichnete den bis heute nachwirkenden Impuls mit der 1983 gefällten Entscheidung, das Geburtshaus Karl Mays in ein Museum umzuwandeln, welches parallel zur Dauerausstellung jährlich Sonderausstellungen anbietet. Der wissenschaftliche Beirat des Karl-May-Hauses sowie der Förderverein Silberbüchse e.V. unterstützen das Museum bei Ausstellungen, Publikationen, Finanzierung und Anfragen aus Fan- und Fachkreisen.
Das aktuelle Antlitz des Karl-May-Hauses kann unter folgendem Link als digitaler 360-Grad-Rundgang bestaunt werden:
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Geschichte des Karl-May-Hauses: von Hochabsolutismus bis Postmoderne
Karl-May-Museum: Kulturstätte direkt am Geburtsort
Am 1. Juli 2022 konnte nach zweijähriger Bauzeit das vom Architekturbüro Raum + Bau aus Dresden entworfene Karl-May-Haus-Depot eingeweiht werden. In moderner Formensprache gehalten, tritt es gestalterisch zurückhaltend neben das Karl-May-Geburtshaus. Neben zusätzlicher Ausstellungsfläche und besten Lagerungsbedingungen für die Sammlung bietet es durch Wanddurchbrüche auf allen Etagen und den Aufzug einen barrierefreien Zugang zum Altbau. Ein großes Fenster, das mit einem nachts beleuchteten Portrait Karl Mays versehen ist, schmückt das Treppenhaus. Der neue Eingangsbereich mit Kasse und Museumsshop zeichnet sich durch eine das gesamte Erdgeschoss einnehmende, mit der Unterschrift Karl Mays verzierte Verglasung aus. Offen und einladend empfängt der Neubau nun den Besucher. Den Eindruck verstärkt ein farbenprächtiges vierseitiges Panoramagemälde oberhalb der Kasse und des vorderen Bereiches der neuen Ausstellungsfläche. Geschaffen vom Dresdner Künstler Torsten Hermann (Signet: TOHER), zeigt es die vier wichtigsten Regionen, in denen die Geschichten Karl Mays spielen – das heimische Erzgebirge mit der in Hohenstein-Ernstthal gelegenen Roten Mühle, den Wilden Westen mit einer Canyon-Landschaft, den Orient mit den ägyptischen Pyramiden, und Sitara, jenes fiktive Land des Spätwerks. Karl May ist als Bürger des späten 19. Jahrhunderts sowie in den Kostümierungen als Old Shatterhand und Kara ben Nemsi zu sehen. Das Sitara-Gemälde ziert eine Darstellung der Hauptfigur Marah Durimeh und ein Spruchband mit der Aufschrift „Sitara, das Land des Edelmenschen.“
Der Rundgang beginnt, indem man sich entlang der Glasfront, vorbei an der Vitrine des Museumsshops, ins einstige „Großmutterstübchen“ im Erdgeschoss des Karl-May-Hauses begibt, welches Karl May durch die engen Beziehungen zu dieser bemerkenswerten Frau wohl am besten in Erinnerung war.
Dort empfängt den Besucher die Old-Shatterhand-Holzskulptur des Bildhauers Siegfried Otto Hüttengrund vor einem als Fotopunkt zu nutzenden Panorama aus dem Puppentrickfilm „Die Spur führt zum Silbersee“. Gegenüber kann einem Gespäch Karl Mays mit seinem Alter Ego Old Shatterhand, beide dargestellt durch den Dresdner Schauspieler Robby Langer, gelauscht werden, in dem es anhand historischer Briefzitate um Wahrheit und Fiktion im Werk des großen Schriftstellers geht. Die Wandvitrine zeigt als Kabinettausstellung wechselnde Exponate.
Vor dem Aufstieg ins erste Obergeschoss empfiehlt sich ein Blick in den Keller, dessen Eingang gegenüber des Hinterausgangs zu finden ist:
„Es gab auch einen Keller, doch war der immer leer. Einmal standen einige Säcke Kartoffel darin, die gehörten aber nicht uns, sondern einem Nachbar, der keinen Keller hatte.“
Von 1995 bis zur Eröffnung der Karl-May-Begegnungsstätte ist das abgesenkte Kellergewölbe als Sitzungs- und Vortragsraum genutzt worden. Nach einer notwendigen Mauerwerksanierung wurde der Keller mit einer Szene aus dem „Waldkönig“ / „Buschgespenst“ ausgestaltet und damit in die Dauerausstellung einbezogen. Nun befinden sich in dem Keller zwei Mehlsäcke mit der Aufschrift „Rote Mühle“, womit an Karl Mays Kindheit erinnert wird:
„Wir gingen nach der ,Roten Mühle‘ und ließen uns einige Handvoll Beutelstaub und Spelzenabfall schenken, um irgend etwas Nahrungsmittelähnliches daraus zu machen.“
Auch ein Blick in den in der Selbstbiographie beschriebenen Garten ist lohnenswert.
„Der Hof war grad so groß, daß wir fünf Kinder uns aufstellen konnten, ohne einander zu stoßen. Hieran grenzte der Garten, in dem es einen Hollunderstrauch, einen Apfel-, einen Pflaumenbaum und einen Wassertümpel gab, den wir als ‚Teich‘ bezeichneten.“
Der Garten ist in seiner heutigen Gestaltung der Beschreibung Karl Mays nachempfunden.
Über eine enge Wendeltreppe erreicht man das erste Obergeschoss.
„Im ersten Stock wohnten die Eltern mit uns. Da stand der Webstuhl mit dem Spulrad.“
In dieser Etage ist an historischer Stelle der nachgestaltete Arbeits- und Wohnraum der Familie May zu sehen. Er bezeugt in seiner realistischen Darstellung das soziale Umfeld der Mayschen Kindheitsjahre. Die Heimweberstube, in der man die körperliche und geistige Enge jener Zeit spürt, ermöglicht den Besuchern einen Blick in den Alltag des vorigen Jahrhunderts und verrät uns mehr über Karl May und seine Bücher als manches Dokument. Im hinteren Teil des Raumes berichten historische Fotos über die teils ärmliche Lebenswelt im Hohenstein-Ernstthal des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Diese ist auch aus dem Stammbaum der Familie May herauszulesen, der eindrucksvoll zeigt, dass von 14 Kindern neun frühzeitig verstarben.
Steigt man die Wendeltreppe weiter nach oben, erreicht man das zweite Obergeschoss, den ehemaligen Schlafraum der Familie May:
„Im zweiten Stock schliefen wir mit einer Kolonie von Mäusen und einigen größeren Nagetieren, die eigentlich im Taubenschlage wohnten und des Nachts nur kamen, uns zu besuchen.“
In chronologischer Folge werden hier die einzelnen Lebensabschnitte Karl Mays und sein Werk dargestellt und gewürdigt. Ein abenteuerliches Menschenschicksal wird sichtbar, das mitunter noch abenteuerlicher verlief als die Geschichten seiner Helden. In einem abgetrennten kleinen Raum, 1985 bis 2001 als Büro genutzt, wird Sekundärliteratur über Karl May präsentiert. An einem Touchscreen-Bildschirm kann in ausgewählten Werken geblättert werden.
So eng das Karl-May-Geburtshaus auch ist, es gibt noch ein drittes Stockwerk:
„ … und hatte ganz oben unter dem First einen Taubenschlag … “
In den ersten Jahren des Museums wurde dieser Raum als „Lesestube“ genutzt, um Interessierten Zugang zur in der DDR schwer beschaffbaren Karl-May-Literatur zu ermöglichen. Bis zur Dachgeschoss-Sanierung (1997) sind hier nur einzelne Requisiten des DEFA-Trickfilms „Die Spur führt zum Silbersee“ präsentiert worden. Sie sind jetzt eingebettet in die Darstellung der außerordentlich vielseitigen Wirkungsgeschichte Karl Mays. An drei Bildschirmen – an einer dekorativen Saloon-Bar angebracht –, können die Besucher sich vertiefend mit der Thematik befassen. In der Fensternische hat die von Selmar Werner (1864-1953) geschaffene Winnetou-Büste ihren Platz gefunden.
Nun empfiehlt sich der Weg über das Treppenhaus des Neubaus, wo zahlreiche Ausstellungs-, Film- und Freilichtbühnenplakate bestaunt werden können. Akustisch begleitet wird der Besucher dabei von der bekannten Old-Shatterhand-Melodie Martin Böttchers (1927-2019). Durch das Nordfenster kann ein Blick in Richtung Mittelstraße und Neumarkt geworfen werden, wo mehrere Karl-May-Stätten zu besichtigen sind.
Im Erdgeschoss angekommen, wendet man sich nach rechts, um in den abgesenkten Ausstellungsbereich des Neubaus zu gelangen. Dabei passiert man das behindertengerechte WC, in dem es auch einen Wickeltisch für die kleinsten Besucher gibt. Zunächst erreicht man den Sonderausstellungsbereich, in dem eine jährlich wechselnde Schau gezeigt wird.
Thematisch setzt sich der Rundgang durch die Dauerausstellung an der hinteren linken Gebäudeecke fort, wo Kara ben Nemsi und ein arabischer Scheich den Besucher im Orientzelt begrüßen. Linkerhand befindet sich eine Texttafel, die über Karl Mays große Orientreise im Jahr 1899/1900 informiert. In der hinteren rechten Gebäudeecke deuten die präsentierten indianistischen Gegenstände an, dass die Wildwestgeschichten das Interesse der Leser wohl am meisten fesseln. Zu sehen ist auch eine Nachbildung des berühmten Bärentöters Old Shatterhands.
Kinder können in diesem Bereich an zwei Tischen mit Indianerfiguren spielen oder orientalische Motive ausmalen.
Wendet sich der Besucher nun um, zeigt eine bunte Auswahl an Exponaten die vielfältige Darstellung von Karl-May-Geschichten auf Freilichtbühnen. Darunter sind viele Programmhefte, Prospekte und Karten bekannter Spielorte wie Rathen oder Bad Segeberg, aber auch ein Übersichtsplan der leider nur sehr kurzlebigen Karl-May-Bühne in Hohenstein-Ernstthal. Eingerahmt wird die Vitrine von einem roten Vorhang.
Doch nicht nur von Freilichtbühnen, sondern auch vom Film wurden die Werke Karl Mays adaptiert. Bekannt sind insbesondere die Verfilmungen aus den 1960er Jahren mit Pierre Brice und Lex Barker in den Hauptrollen, über die eine Texttafel informiert. Bestaunen kann der Besucher einige Kostüme der DDR-Verfilmungen „Das Buschgespenst“ und „Präriejäger in Mexiko“, die in den 1980er Jahren entstanden. Ausschnitte aus beiden Filmen werden in einer gemütlichen Filmecke gezeigt.
Den Abschluss des Rundgangs durch das Karl-May-Haus und die Ausstellungsfläche im Depotgebäude bilden die ausländischen und fremdsprachigen Karl-May-Ausgaben, die ein Sammelschwerpunkt des Museums sind. Die langgestreckte Vitrine und ein farbenfrohes Wandfries aus Deckelbildern präsentieren zahlreiche May-Ausgaben aus aller Welt. Verstärkt wird der Eindruck der internationalen Verbreitung der Werke Karl Mays durch Hörstationen, an denen man die Einleitung zu „Winnetou I“ in verschiedenen Fremdsprachen hören kann. Diese sind um eine Holzskulptur gruppiert, die wie die Old-Shatterhand-Skulptur zu Beginn von Siegfried Otto Hüttengrund geschaffen wurde. Sie zeigt eine Weltkugel auf einem Bücherstapel.
In diesem Ausstellungsbereich ist überdies eine kleine Auswahl der Beschäftigung der bildenden Künste mit Karl May zu sehen. Darunter befindet sich auch die von dem Münchner Künstler Vittorio Güttner (1869–1937) geschaffene Winnetou-Büste, die durch ihren warmen Blick besticht.
Vor dem Verlassen des Hauses – sicherlich mit dem Gefühl, einen Museumsbesuch erlebt zu haben, der sich gelohnt hat – kann der Besucher im Museumsshop noch das passende Andenken finden. Zur Auswahl stehen unter anderem natürlich auch alle Bücher der Gesammelten Werke Karl Mays.